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Der erste Eisenbahntunnel Württembergs von 1846
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ACHTUNG: Ab 2020 Besichtigungen möglich - Kontakt über den Verein:
Pro Alt Cannstatt e.V.
>> www.proaltcannstatt.de <<



Rosenstein-Brücke
Schloss Rosenstein mit Centralbahn-Tunnel (gebaut 1846) Zeichnung - auf Ansichtskarte von 1910 *Lithographie nach einer Zeichnung von Christian Friedrich Leins, um 1850

Alter Rosensteintunnel
Der erste Eisenbahntunnel Württembergs
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Licht am Anfang des Tunnels

Michael Petersen, veröffentlicht am 15.09.2010 in der Stuttgarter Zeitung


Stuttgart - Württembergs erster Eisenbahntunnel, wo soll denn der bitte sein? Selbst unter manchen Eisenbahnfreunden macht sich bei dieser Frage Ratlosigkeit breit. Von innen besichtigt hat diesen Tunnel bisher kaum einer. Dabei waren ihm ganz viele Menschen schon ganz nahe. Wer in Stuttgart die Wilhelma besucht und die paar Schritte hinauf zu Schloss Rosenstein zurücklegt, der lässt das Cannstatter Portal dieses Tunnels um kaum hundert Meter links liegen. Bäume und Büsche verdecken freilich die Sicht auf den stattlichen Eingang dieses seit 1985 als Kulturdenkmal eingestuften Bauwerks. Durch den Tunnel rollten nach 1846 die Dampfzüge auf zwei Schienensträngen von Stuttgart aus und über eine Neckarbrücke direkt in den Cannstatter Bahnhof. Doch bereits 1914 war Schluss. Der vierspurige und noch heute genutzte Rosensteintunnel unter dem Rosengarten machte das alte Bauwerk überflüssig.

Portal
Tunneleingang - Fotos: Enslin

 

"Genau über uns ist Schloss Rosenstein", sagt Hermann Gökeler. Mit seiner starken Taschenlampe leuchtet er hinauf an die Decke. Sie ist an dieser Stelle besonders feucht. Tropfsteine wachsen. Gökeler erzählt von den Bauarbeiten der Jahre 1844 bis 1846. Wasserbassins des zwischen 1822 bis 1830 erbauten Schlosses waren undicht. Das führte gut zehn Meter tiefer zu einem Wasser- und Schlammeinbruch. "Verletzt wurde niemand", weiß Gökeler. Kritiker hatten eine Schädigung des Schlosses von König Wilhelm I. befürchtet. Es blieb unversehrt. Der schnurgerade Tunnel deckt sich mit der Mittelachse des Schlosses. Dort ist seit 1954 das Museum Schloss Rosenstein untergebracht. Im Tunnel sind Ausbuchtungen zu sehen. Gökeler erklärt: "Da sind die Streckenläufer untergestanden, wenn Züge kamen". Diese Männer gingen die Gleise entlang und klopften mit Hämmern an bodenlangen Stielen auf die Schienen. Je nach Tonlage der Schläge erkannten sie sofort, ob sich Risse gebildet oder Schrauben gelockert hatten. Ein Schraubenschlüssel mit riesiger Maulweite hing immer an ihrem Gürtel.

 

Mit etwas Fantasie lässt sich vorstellen, wie die Männer im Dampf und Ruß der Lokomotiven zur Seite traten. Die Sicht wird diffus gewesen sein, denn Abzüge hat der etwas über 300 Meter lange, sieben Meter breite und gut sechs Meter hohe Tunnel nicht. Von einer brauchbaren Signaltechnik konnte in jenen Gründerzeiten der Eisenbahn keine Rede sein. Deswegen regelte ein Tunnelwart die Einfahrt der Züge. Er hatte seinen Platz in einem Unterstand in der Nähe des Tunneleingangs. Die Grundmauern sind noch zu erkennen. Tagsüber hat er eine Flagge, nachts eine Petroleumlampe geschwenkt: Weiß für freie Fahrt, Rot für Halt. Die Scheinwerfer der Loks haben nicht weit geleuchtet. Gökeler zeigt es vor Ort - eine Laterne in Bewegung lässt sich über Hunderte Meter weit erkennen.

Bild

 

Viele verschiedene Nutzer seit der Schließung

Der Tunnel ist 1992 von der Deutschen Bahn in den Besitz des Landes Baden-Württemberg übergegangen. Zuständig ist der Landesbetrieb Vermögen und Bau. Dort hat sich viel Material angesammelt über die Historie des alten Rosensteintunnels. Klar ist aber auch, dass viele Fragen offen sind. Zum Beispiel die, ob während des Krieges tief im Berg Rüstungsgüter hergestellt wurden. Die Schienen fehlen längst. Der betonierte Boden und Zwischenwände deuten aber auf eine gut vorbereitete Verwendung hin.

Die Firma Mahle hatte bis 1946 einen Mietvertrag über eine Nutzung des Tunnels abgeschlossen. Als der beendet wurde, sollte das Unternehmen den Tunnel offenbar in seinen ursprünglichen Zustand zurück versetzen. Wie gründlich ist das geschehen? Während des Krieges diente der Tunnel der Reichsbahn und dem Bahnpostamt als Luftschutzbunker. Aufs Schloss und in den Park fielen viele Bomben. Direkt am Nordrand des Geländes an der Parkstraße lagen Rüstungsbetriebe, die getroffen werden sollten. Der 1936 geborene Hermann Gökeler stammt aus dem Eisenbahnerdörfle. Dort im Nordbahnhofsviertel wohnten viele Eisenbahnbedienstete. "Direkt nach dem Krieg haben wir Kinder im Rosensteinpark in den Bombenkratern gespielt", erinnert er sich. Was wurde gespielt? "Krieg natürlich, wir kannten ja nichts anderes". Der Krieg war diesen Kindern präsent, die Eisenbahn aber auch. "Schließlich war der Hauptbahnhof während des Krieges nur drei Tage geschlossen", weiß Gökeler.


TropfsteinTropfstein


Der Eisenbahnenthusiast kannte das Gelände bestens, und auch den alten Tunnel, der erst 1966 zugemauert wurde. Als Rentner wollte er herausfinden, wie es um das Bauwerk steht. Inzwischen hat er einen steten Zugang: "Ich habe ein bissle aufgeräumt und den Drainagekanal mit Bändern gesichert", berichtet er. Offizielle Führungen gab es nie. Nun will er Lesern der Stuttgarter Zeitung in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Vermögen und Bau die eiserne Pforte öffnen.
Aufzuräumen gab es vieles. Da sind Spuren der Champignonzucht. Zwischen 1931 und 1965 ließen drei Pächter in dieser dunklen Röhre Pilze sprießen. Müll stammt von ungebetenen Tunnelbewohnern. Die Tür ist mehrfach aufgebrochen worden. Leere Dosen, Pizzaschachteln, Safttüten, Flaschen und billige Lektüre blieben ebenso zurück wie Kerzen und ein Wandgemälde.

Gökeler

 

 

 

 

 

 

 





Ausrüstung


Der Boden des Tunnels ist uneben und teilweise feucht.

Festes Schuhwerk wird empfohlen.

Dringend geboten in dem unbeleuchteten Tunnel ist eine

Taschenlampe.

Das Begehen erfolgt auf eigene Gefahr.

Alter Tunnel unter dem Rosensteinpark
Der Tunnel gibt nicht alle Geheimnisse preis
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Stgt, Zeitung -Von Rebecca Anna Fritzsche  Unter dem Rosensteinpark verläuft der erste Eisenbahntunnel Württembergs. Mittlerweile ist der alte Rosensteintunnel seit hundert Jahren stillgelegt. Dass trotzdem ab und an Besuchergruppen durch ihn wandern, liegt an Hermann Gökeler.


S-Nord/Bad Cannstatt - Über Tunnel wird derzeit in Stuttgart viel gesprochen. Nahezu in Vergessenheit geraten ist dagegen der erste Eisenbahntunnel Württembergs, ein einzigartiges Bauwerk, wie Hermann Gökeler sagt, weil es sich um einen stillgelegten Bahntunnel mitten in einer Großstadt handelt.

Der alte Rosensteintunnel ist so etwas wie das Herzensprojekt Gökelers. Der 78-Jährige ist mit der Begeisterung für die Eisenbahn aufgewachsen: „Mein Vater und mein Bruder waren beide Eisenbahner“, erzählt er. Die Familie lebte damals im Nordbahnhofviertel. „Ich habe als kleines Kind gar nicht gewusst, dass es außer Eisenbahnern und Postlern noch andere Berufsgruppen gibt“, erinnert er sich. Und immer wieder kam auch mal die Sprache auf den nicht mehr genutzten Bahntunnel unter dem Rosensteinpark. Der war Gökeler ein Begriff, aber Zeit, richtig nachzuforschen, hatte er erst nach der Pensionierung. Vor einigen Jahren hat Gökeler die Erlaubnis bekommen, die Eisentür aufzuschließen und den Tunnel zu betreten, der mittlerweile dem Landesbetrieb Vermögen und Bau gehört.

Zeitreise ins 19. Jahrhundert

Eine kleine Zeitreise in die 1840er Jahre: Der erste Bahnhof Stuttgarts entstand an der Bolzstraße, die damals Schloßstraße hieß. Zwei Tunnel gab es, die aus Stuttgart hinaus- und nach Stuttgart hineinführten: den Pragtunnel und eben den Rosensteintunnel, der direkt unter der Mittelachse des Schlosses Rosenstein verläuft. 1846 fuhr die erste Dampflokomotive von Cannstatt durch den Rosensteintunnel nach Stuttgart. „Er ist seit hundert Jahren stillgelegt“, sagt Hermann Gökeler. Bei seinen Führungen sind Taschenlampen Pflicht, denn in der Röhre ist es stockduster. „Als der Tunnel 1844 gebaut wurde, waren die Baupläne vom Schloss Rosenstein nicht mehr auffindbar“, erzählt Gökeler. „Es gab eine große Gegnerschaft gegen den Tunnel, die eine Beschädigung des Schlosses befürchtete. Es ist alles gutgegangen, aber es hätte auch schiefgehen können.“

Hier und da tropft es ein wenig, an manchen Stellen haben sich Tropfsteine gebildet. Die Gleise sind längst abgebaut, aber der Tunnel ist noch intakt. Immer mal wieder finden sich Alkoven in den Wänden. Gökeler erklärt, dass die Arbeiter, die die Schienen reparierten, auch „Streckenläufer“ genannt, dort Schutz suchten, wenn ein Zug vorbeifuhr.

Dann wurde der Eisenbahnbetrieb ausgebaut und auf viergleisig umgestellt. Der zweigleisige Rosensteintunnel war damit zu klein und wurde 1914 stillgelegt. Zwischenzeitlich wurde der Tunnel für andere Vorhaben genutzt: „Hier wurden schon Champignons gezüchtet“, berichtet Hermann Gökeler. Im Zweiten Weltkrieg diente der Bau als Luftschutzbunker, das Unternehmen Mahle mietete ihn eine Zeit lang, und schließlich war er Unterschlupf für obdachlose Menschen, bis das Tunnelportal schließlich zugemauert wurde. Diese wechselvolle Geschichte hat Spuren hinterlassen: an manchen Stellen sind Zwischenwände gezogen worden, auf dem Boden finden sich Flaschenscherben und alte Zeitungen, und in einem Alkoven baumelt eine schwarze Jacke.

Keine Fledermäuse, dafür Höhlenflohkrebse

Fledermäuse gibt es keine, denen sei es zu warm, hat Gökeler herausgefunden. Dafür leben in den Wasserpfützen am Boden Höhlenflohkrebse, das sind wenige Millimeter kleine Lebewesen.

Viele Geheimnisse hat der Tunnel schon preisgegeben – aber noch nicht alle. Gökeler hat zum Beispiel nicht herausgefunden, was genau die Firma Mahle hier bis 1946 hergestellt hat. Auch den Urheber eines Graffitos, das eine Wasser ausschüttende Figur darstellt, kennt er nicht. Es befindet sich in der Nähe der Stelle, an der Gökeler den Wassereinbruch vermutet, der den Bau des Tunnels 1844 kurz unterbrochen hatte. „Ich würde gerne wissen, was der Künstler damit sagen will“, sagt der 78-Jährige. Er will weiter forschen.

Gökeler ist es zu verdanken, dass überhaupt Führungen durch den Tunnel stattfinden. Fast 1000 Menschen hat er bereits durch den Tunnel gelotst – rein ehrenamtlich. Für ihn ist das nicht mehr so aufregend wie für die, die dort zum ersten Mal mit der Taschenlampe das Innere erkunden. Aber ihm ist wichtig, „dass mehr Menschen diesen einzigartigen Ort sehen können, solange es noch geht“.

Denn Hermann Gökeler befürchtet, bald keine Führungen mehr anbieten zu können: „Ich gehe davon aus, dass die Baustelle für den Cannstatt-Tunnel für Stuttgart 21 vor dem Tunnelportal eingerichtet wird.“ Schon einmal hatte Gökeler wegen Stuttgart 21 keinen Zugang mehr zum Tunnel: Die Bahn sperrte den Tunnel vor zwei Jahren, um Teile des Grundwassermanagements zu verlegen. Die Rohre verlaufen nun auch im alten Rosensteintunnel, zwischen Tropfsteinen in der Dunkelheit.

 

Leser-Aktion im Rosensteinpark

 

Viel los im verlassenen Tunnel

Michael Petersen, veröffentlicht STZ am 20.09.2010


Stuttgart - "Mein erstes Ziel ist, den Tunnel so herzurichten, dass Führungen möglich sind, das haben wir jetzt erreicht", erklärt Hermann Gökeler vor dem Portal des alten Rosensteintunnels. "Mein zweites Ziel ist es, möglich zu machen, dass dieses von dem großen Stuttgarter Architekten Christian Friedrich von Leins entworfene Portal saniert wird." Gärtner der Wilhelma haben Gelände wie Portal von Ästen und Zweigen befreit. Nun liegt der Eingang wieder im Blickfeld der Betrachter. Am Sonntag hat der Eisenbahnenthusiast Gökeler gut 150 Lesern der Stuttgarter Zeitung noch weit mehr geboten, nämlich eine Führung mitten hinein in das 1846 fertiggestellte Bauwerk. Aber was bewegte so viele Menschen, sich an einem schönen Herbstsonntag in einen finsteren Tunnel zu begeben? Die Antwort ist ganz einfach: Hermann Gökeler bettet diesen Tunnel in ausführlichen Erklärungen in die damalige Zeit ein. So ist gar nicht viel Fantasie gefragt, um zu erkennen, welche Bedeutung diese Röhre für das Stuttgart um 1850 hatte. Keiner der Zuhörer hat sich vor Gökelers letzten Worten in den Rosensteinpark zurückgezogen.

Ältester Eisenbahntunnel Württembergs

Bei dem Objekt handelt es sich um den ältesten Eisenbahntunnel Württembergs. Im Herbst 1846 rollte durch dieses 310 Meter lange Bauwerk der erste Zug in den alten Stuttgarter Hauptbahnhof. Hermann Gökeler spricht von einem "einmaligen Ensemble", das in Stuttgarts Norden binnen einer Epoche entstanden sei. Dabei bezieht er sich nicht nur auf die Bahn, sondern erzählt von dem Rosensteinpark, für den 500 Grundstückskäufe notwendig waren und 75.000 Kubikmeter Erde bewegt wurden. Er berichtet von dem 1830 eingeweihten Schloss Rosenstein. "Hier, genau unter den beiden Löwen am Eingangsportal, verläuft der alte Tunnel." Er klärt auf, dass der nahe, heute noch genutzte Rosensteintunnel in offener Bauweise entstand. Als der seine Decke erhielt, ist der Rosengarten entstanden. "Und somit ist dieser Garten viel jünger als der restliche Park", sagt er.

In den alten Tunnel führte von Cannstatt aus zunächst eine Holzbrücke, die später durch eine Eisenkonstruktion ersetzt wurde. 1914 wurde der Tunnel durch die neue Verbindung ersetzt. Ob die Brücke im Zuge der Neckarbegradigung um 1925 herum abgebaut wurde, darüber unterhielten sich Teilnehmer der Führung. Erst vor kurzem erfuhr Gökeler, dass der Tunneleingang während des Krieges von drei versetzten Wänden abgeschottet wurde. Das sollte den heftigen Luftdruck der Fliegerbomben von diesem als Luftschutzbunker genutzten Tunnel fern halten. Vieles gilt es noch herauszufinden über das Bauwerk, für das seit 1992 das Land Baden-Württemberg verantwortlich ist.

 

Wachsende Tropfsteine und lichtscheue Gestalten


Im Tunnel selbst fotografierten die Besucher wachsende Tropfsteine. An der immer noch Vertrauen erweckenden Tunneldecke waren diese Kalkbildungen im Schein der vielen Taschenlampen in beeindruckenden Farbschattierungen zu erkennen. "Sauerei!" rief dagegen eine Besucherin aus, als sie sah, wie viele Flaschen, leere Dosen, Pizzaschachteln oder sogar Schlafsäcke ungebetene Gäste hinterlassen haben. In den vergangenen Jahrzehnten hatten augenscheinlich lichtscheue Gestalten das Schloss zum Tunnel einige Male aufgebrochen.

Hermann Gökeler ist im Eisenbahnerdörfle nahe des Rosensteinparks aufgewachsen. Zum Abenteuerspielplatz dieser Kriegskinder gehörte auch der alte Rosensteintunnel. Und seit einem Jahr hat der 1936 geborene Stuttgarter viel Zeit, sich um dieses Bauwerk zu kümmern.
Tropfstein  Tropfstein

Fotos: Enslin

StZ 2.8.2017 -

Rosensteintunnel Bad Cannstatt
Eine alte Röhre soll ins Rampenlicht

Von  02. August 2017 - 15:57 Uhr

Vor 90 Jahren sind die letzten Züge durch den 1846 erbauten alten Rosenteintunnel gefahren. Seit Jahrzehnten wird das älteste Eisenbahn-Bauwerk Württembergs nicht mehr genutzt. Das will der Verein zur Förderung und Erhaltung historischer Bauten ändern. Eine Begehung im Licht der Taschenlampen.
Am Ende des Tunnels ist kein Licht. Am Ende steht eine graue Betonwand, die Außenmauer einer unterirdischen Fernwärmestation der EnBW. Hier, knapp 15 Meter unter dem Rosensteinpark, ist es dunkel und still. Nur das Wasser gurgelt. In dicken schwarzen Rohren wird es von der S-21-Baustelle am Hauptbahnhof in Richtung Neckar gepumpt. Das ist die wenig bekannte aktuelle Nutzung des Tunnels, der vor 170 Jahren gebaut wurde und durch den am 27. September 1846 erstmals eine Lokomotive dampfte – er ist das älteste Eisenbahn-Bauwerk Württembergs. Und es soll endlich in einen Zustand versetzt und so genutzt werden, wie es seiner Bedeutung gebührt.


Hartwig Beiche, der frühere Tiefbauamtsleiter und Technische Dezernent der Stadt Stuttgart, gehört zu der Gruppe von Lokalhistorikern, Eisenbahnfreunden und Denkmalenthusiasten, die an diesem Abend vor dem Schloss Rosenstein stehen. Die Gruppe geht zum Hang, der hinunter führt ins Neckartal bei der Wilhelma, wo sich die Großbaustellen für den Rosensteintunnel und Stuttgart 21 breit machen. Von unten dröhnt der Autoverkehr, als sich die Gruppe auf halber Höhe durchs Gestrüpp zu einem wüst zugemauerten und an vielen Stellen bemalten Portal durchkämpft.

Verein will Öffentlichkeit informieren

Beiche, der sich intensiv mit Carl Etzel, dem Erbauer des ersten Rosensteintunnels, beschäftigt hat, ist von der Bedeutung des Kulturdenkmals überzeugt. „Das Portal und der Tunnel sind die ältesten noch bestehenden Teile der württembergischen Eisenbahn. Sie sind es wert und würdig, erhalten zu werden“, sagt er. „Auch wenn das keine ganz billige Sache ist.“

Das ist auch das Ziel des Vereins zur Förderung und Erhaltung historischer Bauten, der in diesen Tagen eine Broschüre über den Rosensteintunnel herausbringt. Verfasser ist Rudolf Röder, der vor kurzem das überaus lesenswerte Buch über die beiden württembergischen Eisenbahnpioniere Carl Etzel und Ludwig Klein verfasst hat. „Wir wollen die Behörden und die Politik, aber auch die Bürger auf die historische Bedeutung des Eisenbahntunnels unter dem Schloss Rosenstein hinweisen“, sagt der Vereinsvorsitzende Frank Schweizer und deutet auf das Portal mit der verfallenen Galerie. Ein erster Schritt wäre für ihn, den Eingangsbereich mit dem darüber liegenden Balkon wieder herzustellen und das davor platzierte Betonwiderlager der neuen Fußgängerbrücke auf eine nicht störende Höhe abzutragen. „Von hier aus hätte man einen schönen Blick auf den Neckar und auf Bad Cannstatt“, sagt er.

Durch eine schwere Eisentür geht es in den unbeleuchteten Tunnel. Der Boden ist uneben und lehmig, im Licht der Taschenlampen wird die gemauert Wand sichtbar. „Das ist Naturstein, der Tunnel an sich ist in einem hervorragenden Zustand“, sagt Hartwig Beiche. Bis 1916 fuhren hier Züge, dann wurde mit dem Umzug des Bahnhofs an die Schillerstraße der benachbarte Rosensteintunnel in Betrieb genommen. Danach diente die alte, rund 360 Meter lange Röhre zur Champignonzucht. Einige Einbauten, von denen nur noch Mauerreste übrig sind, stammen vermutlich aus dieser Zeit, sagt Matthias Busch von Pro-Alt Cannstatt, der durch den Tunnel führt.

Wie in einer Tropfsteinhöhle

Im Lichtkegel werden an einigen Stellen Kalkablagerungen sichtbar, die von eindringendem Wasser herrühren – fast wie in einer Tropfsteinhöhle. In der Tunnelwand gibt es immer wieder kleine Unterstände. Hier suchten die Streckengänger Schutz, wenn ein Zug durch den Tunnel dampfte. Im Zweiten Weltkrieg wurde noch ein Teil der Produktion der Firma Mahle hierher verlagert, dafür zog man einen Betonboden ein. Das Bauwerk diente auch als provisorischer Luftschutzstollen – für Mitarbeiter des Postamts am Rosensteinpark, die durch einen früheren Entlüftungsschacht einstiegen, aber auch für Kunstwerke aus dem Schloss Rosenstein. Im Jahr 1965 endete die Pilzzucht. Danach nutzten Obdachlose den Tunnel als Unterschlupf. An einer Stelle hängen noch ein Kittel und verdreckte Klamotten. „Unsere Kleiderkammer“, sagt Busch. Auch Graffiti wird sichtbar.

Nicht nur Frank Schweizer ist gefangen von der faszinierenden Atmosphäre. „Hier könnte man eine Ausstellung über die Geschichte des Eisenbahnbaus machen“, kann er sich vorstellen. Lichtkunstinstallationen und kleine Veranstaltungen wären möglich. Schweizer will darüber mit den Stadträten ins Gespräch kommen. Die geplante Internationale Bauausstellung im Rosensteinviertel müsse auch dafür genutzt werden, „den Umgang mit den unter Denkmalschutz stehenden technischen Eisenbahn-Bauwerken sensibler zu handhaben“, sagt er. Und dazu gehöre in erster Linie der alte Rosensteintunnel.

Die Gruppe ist auf ihrem Weg an der grauen Mauer angelangt, die das Ende der Röhre markiert. Von hier aus ist die Eingangstür, durch die das Tageslicht fällt, nur noch so groß wie eine Briefmarke. Das Licht am Anfang des Tunnels.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rosensteintunnel-bad-cannstatt-eine-alte-roehre-soll-ins-rampenlicht.a108fe46-9d92-4a50-b418-8bd546695bca.html

WEBLINKS

*  WIKIPEDIA - http://de.wikipedia.org/wiki/Rosensteintunnel

* http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,3815442
Der alte Rosensteintunnel in Stuttgart am 11.4.1952

* Gablenberger-Klaus-Blog - http://www.gablenberger-klaus.de/2011/04/01/
wuerttembergs-erste-eisenbahntunnel-das-rosensteintunnel-1846-1914/

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